Kirche St. Mauritius in Frankfurt-Schwanheim

Die Schwanheimer Sankt Mauritiusgemeinde zählt zur mit Abstand ältesten, die Reformation überdauernden Pfarreien in Frankfurt. Das Gotteshaus trägt das Prädikat "Dom des Maingaus".

Die heutigen Glocken bilden ein einheitliches Nachkriegsgeläut des Heidelberger Gießermeisters Friedrich Wilhelm Schilling.

Geschichte der Pfarrei

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Frankfurt-Schwanheim: St. Mauritius

Glocken
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Schwanheims Geschichte reicht bis zum Jahr 880, als urkundlich bestätigt wurde, dass König Ludwig der Jüngere seine Pfalzkapelle St. Salvator (ab 1239 St. Bartholomäus, heute Kaiserdom) in Frankfurt zum Kollegiatstift erhoben und neben anderen mit seiner Kirche zu Sueinheim ausgestattet habe. Mit der Erwähnung dieser Martinskirche im Feld bestand bereits die Schwanheimer Pfarrei und sie zählt mit St. Bartholomäus zur mit Abstand ältesten, die Reformation überdauernden Pfarreien in Frankfurt. Nach dem Kirchenstreit ab 1557 mit dem evangelischen Kelsterbach wurde die Filialkapelle St. Mauritius (erwähnt 1410) nahe dem Altdorf erweitert und zur Pfarrkirche erhoben.

Die Kirche "St. Martin im Feld" war damit ohne Funktion und verfiel. Sie diente im 30-jährigen Krieg als Steinbruch. Man hat beim Bau der "neuen" Kirche im Dorf (Weihe 26.10.1687) aus dieser Ruine noch 72 Wagen Steine für diesen dritten Schwanheimer Kirchenbau geholt. Doch bereits 1862 war auch sie für die wegen der Industrialisierung stark zunehmende Schwanheimer Bevölkerung zu klein. Außerhalb des damaligen Dorfes am Ufer des Mains, genau auf der alten Mauritiuskapelle und dem Friedhof, entschloss man sich zu dem heutigen Neubau.

Die Pfarrkirche St. Mauritius

Die heutige St. Mauritiuskirche ist nachweislich das vierte, vermutlich sogar das fünfte Gotteshaus der Gemeinde. Mit der Wahl des Bauplatzes in gebührender Entfernung zur umliegenden Bebauung wird die in der Renaissance begonnene und im 19. Jahrhundert fast zur Regel gewordene Freistellung von Kirchen realisiert. Gebaut von dem Wiesbadener Architekten Josef Dormann (1865-1905) im Stile der Neugotik mit traditioneller West-Ost-Ausrichtung, beträgt die Baulänge 47 m, das Hauptschiff hat eine Breite von 16 m und das Querschiff von 25 m. Die Höhe im Inneren der Bögen ist ca. 16 m. Mit diesen Maßen ergab sich eine Sitzplatzkapazität von 880 bei weiteren 1.500 Stehplätzen. Der besonders schlanke imposante Turm hat eine Höhe von 75 m und macht das Gotteshaus schon von weither sichtbar. Im Volksmund wird es auch "Dom des Maingaues" genannt. Die Weihe erfolgte am 22.9.1901 nach einer Bauzeit von auf den Tag genau drei Jahren.

Die ältesten Glocken

Schriftliche Aufzeichnungen über Schwanheimer Glocken lassen sich bis zum Jahr 1562 verfolgen. Damals herrschte mit Kelsterbach konfessioneller Streit über die im Schwanheimer Feld gelegene St. Martinskirche. Nachdem sie Diebe aus Kelsterbach aufgebrochen und das Ornat entwendet hatten, "holten hierauf die Schwanheimer die Glocken, den Taufstein und andere Gegenstände". Es waren also bereits mindestens zwei Glocken vorhanden, was in Pfarrkirchen der damaligen Zeit üblich war. Aufzeichnungen über noch frühere Glocken, die bereits seit der Christianisierung durch den Hl. Kilian in Kirchen aufgehängt wurden, finden sich nicht. Der Überlieferung nach soll er um 660 an der Martinskirche gepredigt haben, die damals mit der Kirche bei Eschborn die einzige am Untermain war.

Die Schwanheimer waren schon immer um ihre Glocken besorgt. 1633 wurde "die Glocke aus der Mauritiuskirche geholt und zur Sicherheit im Turm über der Pforte aufgehängt", weil die schwedischen Besatzer für Schwanheim einen evangelischen Pastor eingesetzt und den katholischen Pfarrer Hensler in Frankfurt arrestiert hatten. 1655, nach dem 30-jährigen Krieg, verzeichnet die Chronik "Porte und Kirche stehen noch und haben ihre Glocken gerettet". Auch während des Franzosenkrieges 1674 hatte Schwanheim "seine Uhr und die Glocken in das feste Höchst geflüchtet".

1763 sind für Schwanheim drei Glocken inventarisiert. Die kleinste wurde im Jahre 1628 gegossen, die mittlere 1665 und die große wurde, als sie 1738 zersprungen war, von den Brüdern Benedict und Jo. Georg Schneidewin zu Frankfurt umgegossen. Die mittlere, consecriert vom Mainzer Suffraganbischof Adolf Gottfried Volusius, existiert noch heute im Heimatmuseum Schwanheim als Dauerleihgabe der katholischen Pfarrgemeinde. Höhe und Durchmesser betragen je 57 cm bei einem Gewicht von 110 kg. Der Schlagton ist ein f’’ mit einem starken Unterton bei f’. Der letzte Chronikeintrag über die frühen Glocken Schwanheims datiert vom Pfingstsamstag, den 17. Mai 1902, an dem diese in der alten Kirche (heute St. Josefshaus) "für immer verstummen".  

Die Glocken von 1901

Bei ihrer Weihe am 22. September 1901 besaß die Kirche bereits vier neue repräsentative Glocken im Motiv "Salve Regina": "St. Mauritius", 1.670 kg, Ton c’; "In honorem Episcopi Nostri Dominicus vocor" (zu Ehren unseres Bischofs Dr. Dominikus Willi genannt), 875 kg, Ton e’; "Ave Maria gratia plena", 520 kg, Ton g’; "St. Wendelinus", 360 kg, Ton a’, "Patron der Landwirte, bitte für uns am Throne Gottes". Der genietete Stahlglockenstuhl wiegt 5.865 kg. Er verrichtet noch heute seinen Dienst. Seit Einbau der Turmuhr im Jahre 1907 von der Firma J. Höckel aus Flörsheim wurde die größte Mauritiusglocke für den Viertel-, Halbe-, Dreiviertel- und Stundenschlag mit einem Hammer von 35 kg angeschlagen.

Für die Waffenschmieden des ersten Weltkrieges mussten im Mai 1917 alle Glocken bis auf die größte abgegeben werden.

Das Großgeläut von 1924

Ungefähr fünf Jahre nach Kriegsende, an Neujahr 1924, wurde vom Kirchenvorstand der Beschluss gefasst, "neue Glocken als Ersatz für die im Weltkrieg mit brutaler Gewalt der Kirche entrissenen drei Glocken zu beschaffen" und es wurden bei der Hofglockengießerei Franz Schilling Söhne in Apolda Nachgüsse sowie zusätzlich eine besonders große, 72 Zentner schwere Glocke mit dem Ton "tiefes a" in Auftrag gegeben. Der Platz dafür war seit 1901 in dem Glockenstuhl frei geblieben. Die finanziellen Mittel beschaffte Pfarrer Anton Hartleib über ein privates unverzinsliches Darlehen in Höhe von 5.000 Reichsmark. Die Inschriften der neuen Glocken waren die gleichen wie die der Vorkriegsglocken, die neue große (Durchmesser 172 cm, 3.600 kg) erhielt folgende Inschrift: "Gloria in exelcis Deo in honorem sancti Antonii" (Ehre sei Gott in der Höhe, zu Ehren des heiligen Antonius). Ihre kirchliche Weihe vollzog Pfarrer Hartleib am 4.8.1924. Nach den Domen in Frankfurt und Limburg hatte Schwanheim nun das drittgrößte Geläut im gesamten Bistum.

Doch am 4. Januar 1942 musste der Kirchenvorstand erneut zur Kenntnis nehmen, dass per Runderlass vom 14.11.1941 sämtliche Bronzeglocken beschlagnahmt sind. Bis auf weiteres kann nur eine läutefähige kirchliche Glocke verbleiben, und zwar, entgegen der Praxis im 1. Weltkrieg, grundsätzlich die kleinste. Vor dessen Zertrümmerung im Turm, eine Abnahme hätte zu große bauliche Eingriffe verursacht, wurde das Geläut noch auf Schallplatte aufgenommen.

Das heutige Großgeläut

In der Nachkriegszeit standen zunächst wichtigere Aufbauarbeiten im Vordergrund. Erst 1952 wurde ein Glockenausschuss gebildet. Ziel war, nur durch Spenden finanziert, der Pfarrkirche wieder ein angemessenes Geläut zu schenken. Aus finanziellen Zwängen wurden 1953 in Heidelberg von F.W. Schilling zunächst die drei mittleren Glocken gegossen. 1955 war dann wieder soviel Geld gesammelt, dass auch die große Glocke und als Zugabe eine Oktavglocke realisiert werden konnten. Im Mai 2005 wurde schließlich aus dem Dachreiter des St. Josefshauses dessen kleinste Glocke von 1956 als Klangkrone dazu gehängt. Das dadurch entstandene, musikalisch hervorragend abgestimmte und tonlich vollkommen reine Sextett, wird als Motiv "großes Salve Regina" bezeichnet.

Mit der Anpassung der alten Läuteordnung an die jetzt möglichen neuen Dispositionen ergeben sich zahlreiche Kombinationen, um kirchliche Ereignisse wie besondere Feste, Freud und Leid, akustisch unterschiedlich anzuzeigen. Theoretisch sind es 63 Variationen, von denen immerhin 44 musikalisch ergiebig sind. Bei der Abnahme des komplettierten Schilling-Sextetts attestierte der Limburger Glockensachverständige Wolfgang Nickel in seinem Gutachten: "Mit seinen sechs Glocken und einem Gesamtgewicht von fast sieben Tonnen zählt das Geläute von St. Mauritius nun zu den bedeutendsten Geläuten der Diözese Limburg. Als tontiefes Durgeläute ist es dabei das einzige sechsstimmige, das sich über mehr als eine Oktave erstreckt".

Heutige Glocken und deren Inschriften

  • St. Mauritius, Ton h0-3, 3.300 kg, Durchmesser: 171,8 cm, Anschläge 44/min., Nachhalldauer Unterton über drei Minuten!
  • "Den Lebenden zur Mahnung, den Kriegsopfern zum Gedächtnis. Durch Spenden der Schwanheimer Bürger wurde ich im Jahre 1955 in Heidelberg gegossen. Im 1. und 2. Weltkrieg wurden meine Vorgängerinnen für Kriegszwecke zerschlagen".
  • St. Antonius, Ton dis’-3, 1.400 kg, Durchmesser: 135,5 cm, Anschläge 51/min., "Doctor tu ecclesiae, testamenti arca operosos nos fidei unitati adjuva", d.h. Du Kirchenlehrer, Arche des Testaments, hilf uns, die wir uns so sehr bemühen um die Glaubenseinheit.
  • St. Maria Assumpta, Ton fis’-2, 800 kg, Durchmesser: 112,5 cm, Anschläge 53,5/min., "Ad nos triumphans exules Regina verte lumina", d.h. Triumphierende Himmelskönigin, wende Deine Augen auf uns, die wir noch in der Verbannung leben.
  • St. Michael, Ton gis’-1, 600 kg, Durchmesser: 99,5 cm, Anschläge 56,5/min., "Michael Archangelus serenae pacis auctor regelat in orcum bella lacrimosa", d.h. Der Erzengel Michael, des lieblichen Friedens Urheber, möge in die Hölle verbannen tränenreiche Kriege.
  • St. Joseph, Ton h’-3, 420 kg, Durchmesser: 87,1 cm, Anschläge 61/min., "Exemplar piticum, ora pro nobis", d.h. Du Bei¬spiel der Pflichttreue, bitte für uns.
  • St. Katharina, Ton cis“-3, 275 kg, Durchmesser: 74,5 cm, Anschläge 65/min., "Catharina virgo nobilis subtili sapientia insignis, Amica Christi martyr, coronam adepta, in sinai montem ab angelis translata", d.h. Gepriesen Jungfrau Katharina durch tiefe Weisheit ausgezeichnet, als Freundin Christi die Märtyrerkrone erhalten, auf dem Berg Sinai von den Engeln fort getragen.

Von Bernhard Stuck/Pfarrarchiv St. Mauritius