Frankfurt am Main Niederrad: Kath. Pfarrkirche Mutter vom Guten Rat

Das Foto zeigt den Glockenturm der kath. Pfarrkirche Mutter vom Guten Rat und die Apsis der "Weinbergkapelle". In der Krypta dieser Kapelle ruhen die sterblichen Überreste von May von Weinberg, der Gattin des bedeutenden Frankfurter Unternehmers und Mäzens Carl von Weinberg. Die heutigen Glocken sind schon die dritte Glockengeneration in der Gemeinde.

Kath. Pfarrkirche Mutter vom guten Rat in Frankfurt-Niederrad
Bild © Jens Naumann / hr
  • Link kopiert!

Das alte Geläute

Mit dem Bau der alten katholischen Kirche in der Goldsteinstraße in den Jahren 1869-1871 wurden Ende 1870 zwei Stahlglocken (465 und 278 Pfund) durch die Firma Bach & Söhne gegossen und aufgehängt. 1873 folgte eine dritte Glocke der Firma Bach & Söhne (128 Pfund) in den Glockenstuhl. 1917 mussten zwei dieser Glocken für die Rüstungsproduktion im 1. Weltkrieg "abgeliefert" werden und wurden eingeschmolzen.

Audiobeitrag
Bild © picture-alliance/dpa| zur Audio-Einzelseite
Ende des Audiobeitrags

1921/22 gab es Ersatz durch die Glocken der Firma Bachert (Karlsruhe) in den Tonlagen b`, des` und es`, die zusammen mit einer 1933 von der Firma F. Otto (Hemlingen) gegossenen Glocke in die 1933 erbaute, neue Kirche an der Bruchfeldstraße übernommen wurden. Bis auf die es`-Glocke wurde auch dieses Geläut 1942 für die Rüstungsproduktion von den Nationalsozialisten im 2. Weltkrieg enteignet.

Erst nach der Herrichtung 1947 der 1944 schwer beschädigten Kirche konnte man wieder an neue Glocken denken. Begünstigt durch gute persönliche Beziehungen von Herrn Pfarrer Johannes Lamp zu einem leitenden Angestellten des Bochumer Vereines für Gussstahlfabrikation AG (Bochum) richtete der damalige ehrenamtliche "Kirchenrechner" der Gemeinde, Herr Friedrich Gehlen, eine Anfrage über fünf Stahlglocken an den Bochumer Verein.

Der Guss von Stahlglocken war damals eine realisierbare Alternative zu Bronzeglocken, da Geld, wie aber auch der notwendige Rohstoff fehlte. Es folgte ein Angebot über 17.450,- Reichsmark und einem bevorzugten Liefertermin bis zur ersten Hälfte 1949. Am 20.11.1947 wurden folgende Glocken durch die Gemeinde bestellt:

Glockenname, Schlagton, Durchmesser:

  • Christkönig, h, 1887 mm
  • Mutter vom Guten Rat, des, 1681 mm
  • Johannes der Täufer, es, 1498 mm
  • Pax, ges, 1260 mm
  • Caritas, as, 1122 mm



Auf Drängen der Gemeinde bzw. von Herrn Gehlen wurde die Lieferzusage vom Bochumer Verein auf Weihnachten 1948 relativiert. Ziel der Gemeinde war es, dass die Glocken erstmals zu Weihnachten 1948 erklingen sollten.

"Geläute mit hervorragendem Klangbild"

Dann kam die Währungsreform am 20.06.1948. Der Bochumer Verein beharrte auf Anfrage der Gemeinde darauf, dass die Währung und der Vertrag 1:1 Gültigkeit habe, also von der Gemeinde 17.450 DM zu zahlen seien. In einem Antwortschreiben vom 14.8.1948 schreibt Herr Gehlen: "....durch die Währungsreform ist das Vermögen der Gemeinde stark zusammen geschmolzen, dass sogar nicht genug Mittel vorhanden sind, die in Gang befindlichen Bauarbeiten zu bezahlen". Mit gleichem Schreiben wurde dann darauf aufmerksam gemacht, dass man den Kauf der Glocken zurückstellen müsse.

Bei einem anschließenden Besuch durch einen Vertreter des Bochumer Verein einigte man sich dann doch auf einen reduzierten Preis von 16.500 DM und einen "Zahlungsaufschub in engen Grenzen". Da der Glockenstuhl nur für vier Glocken ausgelegt war, musste dieser von der Firma Lavis (Offenbach) erweitert werden. Bereits damals meldete dieses Unternehmen Bedenken an, dass die geplanten Glocken zu groß und zu schwer für den Turm der Kirche seien. Zweifel an der Durchführung des Auftrages wurden aber von der Herstellerfirma der Glocken zunächst ausgeräumt.

Da die Bistumsleitung in zwei Fällen negative Erfahrungen mit Stahlglocken gemacht hatte, wurde das Gutachten eines Glockensachverständigen des Bistums bei der Tonabnahme der Glocken verlangt. Nachdem die Glocken fertig gestellt waren, wurde die Tonabnahme am 2.12.1948 von Herrn Domkapellmeister Karl Hartmann vorgenommen. Herr Hartmann kam mit seinem am 7.12.1948 ausgestellten Gutachten zu einer geradezu enthusiastischen Beurteilung. Hier Auszüge aus dem Gutachten:

"So ergab auch die Läuteprüfung ein ganz hervorragendes Klangbild. Jede einzelne Glocke ist klanglich füllig, warm, und gut durchatmet, nichts von Schärfe und Härte im Klang, keine Kurzatmigkeit: ein ganz frappierendes Ergebnis für die Stahlglocken. Ganz besonders fand ich dies bei der dis – Glocke, die in ihrer resonannten Fülle, Klarheit und tonlichen Charakteristik einer Bronzeglocke absolut gleichzustellen ist. Ich möchte dies besonders hervorheben, weil viele Experten noch heute eine Antipathie gegen Stahlglocken haben. Gehet hin und höret! Das Gesamtgeläute macht den besten Eindruck. Edel, voll rein und tragfähig, eine runde Klangfülle von wuchtiger Kraft.

Die kath. Pfarrgemeinde Ffm.-Niederrad beglückwünsche ich zu diesem schönen Geläute, an dem sie viel Freude haben wird. Die Glocken werden auch für alle Anwohner von Niederrad, ja für die Stadt Frankfurt eine Zierde sein. Mögen sie das Lob Gottes künden und allen zur Erbauung erklingen und allen ein frommer Rufer sein. Sursum corda! Wenn das Geläute Weihnachten 1948 zum ersten Male seine Stimme erklingen lässt, dann dringe sie mahnend in alle Herzen: Liebe und Frieden."

Glockenmontage mit Hindernissen

Am 9.12.1948 wurden die Glocken per LKW in Niederrad angeliefert. Mit großem Erschrecken musste man feststellen, dass die Glocken deutlich größer und schwerer waren als vereinbart.

Die größte Glocke hatte statt 1887 mm einen Durchmesser von 2020mm und das Gesamtgewicht der Glocken betrug statt 9830kg nun 11.883kg. Außerdem waren die Klöppel für die drei großen Glocken nicht mit geliefert worden. Es war vorauszusehen, dass die h–Glocke mit ihren 2020mm Durchmesser nicht durch die Turmböden hindurch passte, denn die Turmluke im Boden der Glockenstube hatte lediglich einen Durchmesser von 1900mm. Es wurden deshalb ernsthafte Überlegungen bei der Anlieferung angestellt, die Annahme der Glocken zu verweigern. Die Gemeinde entschied sich jedoch dagegen und die Glocken wurden am 12.12.1948 geweiht.

Jedoch musste ein Architektenbüro kurzfristig zu einem Preis von 5800,- DM damit beauftragt werden, den Glockenstuhlboden zu öffnen und Eisenträger heraus schweißen zu lassen. Außerdem mussten zwei Doppelträger im oberen Teil des Turmes auf gleiche Weise entfernt werden und seitlich neue Träger eingesetzt werden, weil die h-Glocke so hoch war, dass sie mit der Krone gegen den Träger anstieß. Der Monteur des Bochumer Vereins war für den 20.12.48 zur Montage der Glocken bestellt worden. Da aber die Erweiterungsarbeiten bis zu diesem Termin nicht durchzuführen waren, wurde der Termin von der Gemeinde abgesagt. Der sehnliche Wunsch der Gemeinde, nämlich dass die Glocken erstmals zu Weihnachten 1948 erklingen mögen, konnte somit trotz aller Bemühungen nicht umgesetzt werden.

Am 3.1.1949 war schließlich der Monteur des Bochumer Vereins in Niederrad vor Ort. Die Klöppel wurden aber erst am 7.1.49 geliefert. Da man danach auch noch feststellte, dass die Gegengewichte der Glocken fehlten und diese erst am 24.1.1949 nachgeliefert wurden, konnten die heutigen Glocken erst ab diesem Zeitpunkt über Niederrad erklingen.

Leider war bis heute nicht herauszufinden, wann das tatsächlich der Fall war; wahrscheinlich erst an Ostern 1949, da man sicherlich eine Premiere der Glocken für ein besonderes, feierliches Ereignis ausgewählt hatte. Wer Hinweise über das Datum der Glockenpremiere in Niederrad geben kann, wird gebeten, sie bei der kath. Pfarrei in Frankfurt Niederrad zu melden. In den Jahren 1960/61 und 1999 wurde die Glockenanlage grundlegend renoviert.

Natürlich können sich die Glocken der Mutter vom Guten Rat-Kirche nicht mit den Glocken der Innenstadtkirchen und dem Großen Stadtgeläut messen, da man heute weiß, dass Stahlglocken niemals den Bronzeglocken "absolut gleichgestellt" werden können. Es sind aber die Glocken der Gemeinde Niederrad und ihr Klang bedeutet, bewusst oder unbewusst wahrgenommen, für viele Gemeindemitglieder und auch Niederräder Bürger ein akustisches Heimatsignal, das hoffentlich noch lange die Niederräder Katholiken zum Gebet und Innehalten ruft.

Ralf Mack

Quelle: hr4